Kinderrechte: Recht auf Schutz vor wirtschaftlicher Ausbeutung

Überall auf der Erde arbeiten Kinder: Sie putzen und kochen, sie passen auf andere Kinder auf, sie helfen auf Bauernhöfen mit, sie schuften in Fabriken und Bergwerken oder sie verkaufen Kleinigkeiten auf der Straße. Sie arbeiten bei ihren Eltern oder bei Fremden, gelegentlich oder viele Stunden täglich.

Viele riskieren ihre Gesundheit, manche sind Opfer von Verbrechen, werden verkauft und misshandelt. Die Formen von Kinderarbeit sind vielfältig, eine allgemein gültige Definition des Begriffs Kinderarbeit gibt es nicht.

Theorie: Der Begriff Kinderarbeit und internationale Vereinbarungen

Die UN-Kinderrechtskonvention benennt in Artikel 32 das Recht des Kindes, vor wirtschaftlicher Ausbeutung geschützt zu werden und nicht zu einer Arbeit herangezogen zu werden, die Gefahren mit sich bringen, die Erziehung des Kindes behindern oder die Gesundheit und Entwicklung des Kindes schädigen kann. Von den Vertragsstaaten werden Regelungen zum Mindestalter, zur Arbeitszeit und zu den Arbeitsbedingungen gefordert.

Die internationale Arbeitsorganisation (ILO), deren Konventionen (138, 182) zur Kinderarbeit international relevant sind und die regelmäßig einen Bericht über Kinderarbeit weltweit veröffentlicht, unterscheidet die folgenden Formen von Kinderarbeit:

  • Erwerbstätige Kinder: Die ILO zählt dazu alle Kinder unter 18 Jahren, die während einer Woche an einem Tag mindestens eine Stunde erwerbstätig waren. Häusliche Pflichten und Schularbeit zählen dabei nicht zur Erwerbstätigkeit.
  • Kinderarbeiter/-innen: Die ILO zählt hierzu Kinder, die Arbeiten verrichten, die nach der ILO Konvention 138 über das Mindestalter (1973) verboten sein sollten.
  • Dabei gelten folgende Grenzen:
    – Mindestalter 13 Jahre für leichte Arbeit, d.h. es ist keine gesundheitliche oder mentale Schädigung zu befürchten und der Zugang zu Bildung ist gewährleistet.
    – Mindestalter 15 Jahre für gewöhnliche Arbeit, in der Regel endet in diesem Alter die Schulpflicht.
    – Mindestalter 18 Jahre für gefährliche Arbeit.
  • Gefährliche Arbeit: Hierzu zählt die ILO Tätigkeiten oder Beschäftigungen, die sich ihrer Natur nach schädlich auf die Sicherheit, die körperliche oder seelische Gesundheit und die sittliche Entwicklung des Kindes auswirken können. Dies wurde 1999 mit dem „Übereinkommen über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen von Kinderarbeit“ (Konvention 182) präzisiert. Demnach sind die schlimmsten Formen ausbeuterischer Kinderarbeit verboten, das bezieht sich zum Beispiel auf Kinderhandel, Sklaverei, Prostitution, Missbrauch von Kindern als Soldaten oder den Einsatz von Kindern im Drogengeschäft.

Nach dem weltweiten Bericht zur Kinderarbeit „Global Estimates of Child Labour“ (ILO Bericht 2017, Results and Trends 2012-2016), gibt es über 218 Millionen erwerbstätige Kinder, 152 Millionen Kinderarbeiter/-innen, davon verrichten 73 Millionen Kinder gefährliche Arbeit.

Rund 71 Prozent der Kinder arbeiten in der Landwirtschaft, gut 17 Prozent im Dienstleistungssektor und über 12 Prozent in der Industrie. Die meisten Kinder (69 Prozent) arbeiten in den Betrieben ihrer Familie und werden für die Arbeit nicht bezahlt, 27 Prozent erhalten einen Lohn, 8,1 Prozent sind selbstständig. In Afrika gibt es die meisten Kinderarbeiter/-innen, insgesamt 72 Millionen, das heißt jedes fünfte Kind muss arbeiten. In Asien gibt es 62 Millionen Kinderarbeiter/-innen, das heißt 7 Prozent der Kinder müssen arbeiten. 48 Prozent der Kinder sind zwischen 5 und 11 Jahre alt, und 28 Prozent sind zwischen 12 und 14 Jahre alt. Rund 88 Millionen sind Jungen und 64 Millionen sind Mädchen. Je älter die Kinder sind, umso häufiger müssen sie gefährliche Arbeiten verrichten.

Kinderarbeit auf der internationalen Agenda

Im Jahr 2002 rief die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) den 12. Juni zum „Tag gegen Kinderarbeit“ aus. Dieser Termin wird genutzt, um durch öffentlichkeitswirksame Aktionen die Aufmerksamkeit auf Kinderarbeit weltweit zu lenken. Auf europäischer und internationaler Ebene gab es seither verschiedene Initiativen, um ausbeuterische Kinderarbeit zu beenden.

Im Mai 2010 versuchte die ILO erneut das Thema Kinderarbeit in den Fokus zu rücken. In Den Haag fand eine internationale Konferenz statt: The Hague Global Child Labour Conference 2010. Ihr Ziel: Das Engagement zur Abschaffung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit soll erneuert bzw. verstärkt werden. Als Ergebnis wurde die Roadmap for Achieving the Elimination of the Worst Forms of Child Labour by 2016 verabschiedet. Wichtige Prinzipien sind das Recht auf Bildung, das Wohl des Kindes sowie die Beteiligung von Kindern. Sie hat jedoch keinen verbindlichen Charakter.

Im Oktober 2013 fand die Dritte Weltkonferenz zum Thema Kinderarbeit statt. Der Ausrichter Brasilien setzte gemeinsam mit der ILO die Aktionssäulen aus Den Haag auf die Agenda: Ausbildung, Gesetzgebung, Sozialschutz und Arbeitsmarktpolitik. Darüber hinaus hatte diese Konferenz zum Ziel, eine Zwischenbilanz zu ziehen und zu überlegen, wie die Roadmap aus Den Haag bis 2016 umgesetzt werden kann. Als Ergebnis der Konferenz liegt die sogenannte „Brasilia Erklärung“ vor.

Praxis: Folgen ausbeuterischer Kinderarbeit

An vielen Kindern geht die schwere körperliche und gefährliche Arbeit nicht spurlos vorüber. Sie leiden unter Knochenbrüchen, Rückenbeschwerden, Verbrennungen, Hauterkrankungen, Atemproblemen. Hinzu kommen psychische oder sonstige gesundheitliche Probleme.

Für das Kind sein bleibt meist keine Zeit. Freizeit und Spielen bleibt Kinderarbeitern häufig verwehrt. Schwer wiegt auch, dass viele Kinder durch ihre schwere Tätigkeit keine Möglichkeit mehr haben, die Schule zu besuchen. Für ihre Zukunft ist das fatal, denn ohne einen Schulabschluss und eine Berufsausbildung haben sie keine Chance, ein höheres Einkommen und eine soziale Sicherung oder eine Renten- und Krankenversicherung zu erhalten und ihren Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen. Oft beginnt so ein Teufelskreis, der auch für die nächste Generation erneut in Kinderarbeit endet.

Praxis: Ursachen von Kinderarbeit

So vielfältig die Formen von Kinderarbeit sind, so komplex sind die Ursachen. Kulturelle, soziale und wirtschaftliche Faktoren einer Region, eines Landes und globale Entwicklungen können darauf Einfluss nehmen, ob Kinder unter ausbeuterischen Bedingungen arbeiten müssen.

Armut ist eine der Hauptursachen. Kinder müssen zum Familieneinkommen beitragen, wenn die erwachsenen Familienmitglieder zu wenig verdienen, weil sie etwa krank sind, die Ernte ausgefallen ist, die Löhne extrem niedrig sind oder sie arbeitslos sind. Ein armer Staat kann Kinderarbeit begünstigen, weil er beispielsweise über eine schlechte Infrastruktur und ein mangelhaftes Bildungssystem verfügt.

Ein deutlicher Zusammenhang besteht zwischen dem Zustand des Bildungssystems und Kinderarbeit. Wo Schulen teuer oder schlecht erreichbar sind und der Unterricht eine geringe Qualität aufweist,entscheiden Eltern eher, ihre Kinder nicht zur Schule zu schicken. Stattdessen arbeiten die Kinder und tragen zum dringend benötigten Familieneinkommen bei.

Daneben sind kulturelle, soziale und politische Faktoren von Bedeutung: Bestimmte Einstellungen zu Kindheit und Kinderarbeit, zu Geschlechterrollen oder zur Wichtigkeit von Schulbildung begünstigen Entscheidungen, Kinder arbeiten zu lassen. Traditionen wie Schuldknechtschaft oder ein Kinder-Dienstboten-System zeugen von einer tiefen gesellschaftlichen Verankerung von ausbeuterischer Kinderarbeit. Auch die Diskriminierung gesellschaftlicher Minderheiten kann bewirken, dass mehr Kinder arbeiten müssen.

Was kann man gegen Kinderarbeit tun?

Die Frage ist nicht leicht zu beantworten – es handelt es sich um ein sehr komplexes Problem: Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in vielen Ländern ist es problematisch, Kinderarbeit einfach und unmittelbar abzuschaffen. Die Gründe liegen auf der Hand: „Befreit“ man Kinder aus ihrer Arbeitssituation, dann nimmt man ihnen und ihren Familien ein oft für das Überleben notwendiges Einkommen. Dadurch können sich ihre Lebensumstände weiter verschlechtern.

Solange Kinderarbeit existiert, kann die Situation arbeitender Kinder erst einmal verbessert werden, indem konkrete Maßnahmen zu ihrem Schutz getroffen werden oder indem sie die Möglichkeit erhalten, aus gefährlicher in ungefährliche Arbeit zu wechseln.

Wichtige Schritte zum nachhaltigen Schutz von Kindern gegen wirtschaftliche Ausbeutung sind darüber hinaus:

  • Die Verbesserung von Bildungschancen: Dazu zählen der Zugang zu qualitativer formaler Bildung, non-formaler Bildung sowie angepasste Bildungsangebote für arbeitende Kinder. Bildung hilft den Kreislauf der Armut zu durchbrechen und ist eine wesentliche Grundlage für ein eigenständiges und selbstverantwortliches Leben.

  • Einkommensschaffende Maßnahmen für die Eltern: Eltern und andere erwachsene Familienmitglieder müssen zu fairen Bedingungen und einem angemessenen Lohn arbeiten können, anstatt für das Überleben der Familie auf die Einkommen ihrer Kinder angewiesen zu sein.
  • Die Beteiligung der Kinder selber: Kinder müssen mitreden können, wenn es um ihre Belange geht. Das gilt auch für Kinderarbeiter.

In den letzten Jahren konnte die Kinderarbeit leicht reduziert werden. 2016 gibt es 12 Millionen weniger Kinderarbeiter/-innen als in 2012.

Dieser Text wurde von Kindernothilfe Luxembourg verfasst.